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2024

Bauch

Mein Bauch gehört mir -  sexuelle Befreiung und ihre Folgen
Gedanken einer emanzipierten Frau im lustvollen Beziehungsgeschehen

Ich war nie schwanger und auch nie ungewollt schwanger, es sei denn dieser eine Tag mit Pille danach zählt dazu. „Mein Bauch gehört mir“ war die „Kampfparole“ von Frauen für das Recht auf Abtreibung. „Mein Bauch gehört mir“: eine der Forderungen der Frauenbewegung. Eine Bewegung von Frauen, die sich mit den Folgen von Sexualität allein auseinandersetzen wollten.
Die Bewegung von Frauen, die Verhütungsmittel nahmen, die gerade erst auf den Markt kamen. Frauen, die damit endlich aus der Ehe als einzige Versorgungsgarantie für Mütter und Kinder heraustreten konnten.
War die Frauenbewegung sexfeindlich, wie einige Alphamänner behaupten?
Ich glaube nicht, ich glaube Frauen wollten damals wie heute selbstbestimmt leben und auch Sex erleben.
Es ist das gute Recht einer denkenden Frau, sich nicht in ein Beziehungsleben einbinden zu lassen, das für sie eine untergeordnete Rolle vorsieht.


Ich schreibe diese Zeilen nicht, weil ich etwas gegen die Frauenbewegung habe. Ganz im Gegenteil, ich bin unendlich dankbar, dass ich 1964 geboren andere Möglichkeiten hatte als unsere Mütter sie hatten. Und ich schreibe nicht über Abtreibung, weil diese Debatte bereits geführt ist und nichts zu meinem Thema dazu tut. Es ist der Satz, der mich reizte nachzudenken. Mein Bauch gehört mir.

Mein Bauch gehört natürlich mir, wem sonst? Aber ist das ein gutes Argument, die Folgen von Sexualität und Lusterleben als Frau nur mit mir selbst auszumachen?
Ich kenne so viele Frauen, die emanzipiert bleiben bis zur Partnerschaft aber spätestens bei der Mutterschaft wieder in den Versorgungsbetrieb zurückfallen, in dem der Mann eben doch besser Geld verdient, weil er die Care-Arbeit halt nicht so richtig sieht und kann.
Ein Versorgungsbetrieb, in dem nach wie vor weder Frauen noch Männer einen guten Platz gefunden haben nach meiner Wahrnehmung.

Ich glaube die Frauenbewegung hat das Thema Hormone und Lustempfinden einfach ausgeklammert und sich zurück gezogen auf eine Position, die da heißt, meine Sache. Mein Bauch gehört mir, meine Lust auch.  Da rede ich nicht öffentlich drüber, komme ich alleine klar, wäre ja noch schöner, da diese Männer, um Rat zu fragen, wie wir das machen mit den Bauchgefühlen.

Sexuelle Befreiung und mangelndes Bauchgefühl
Die sexuelle Befreiung der Frau ist eine unglaublich gute Sache. Verhütungsmittel zu haben und Sexualität auszuleben, ohne an Nachkommenschaft denken zu müssen ist ganz sicher eine wichtige und schöne Errungenschaft. Ich schreibe diese Zeilen als Hetero Frau und bitte meine lesbischen Freundinnen um Verzeihung, weil ich ihre Lebenswirklichkeit nicht beschreiben kann und deshalb einfach weglasse. Mir ist völlig klar, dass diverse Sexualität zu anderen Erkenntnissen führen kann.
Ich schreibe als Frau, die nie schwanger war, nie geboren hat und als inzwischen alleinerziehende Pflegemutter Muttergefühle kennt, die ihr Körper aber nicht produziert hat, sondern ihr Herz.
Und ich schreibe persönlich und bin gespannt, ob meine Ideen vielleicht Allgemeingültigkeit haben.

Sexuelle Befreiung als Geschenk von Verhütungsmitteln?
Habe ich die sexuelle Befreiung als Singlefrau genossen? Da in den 80 er Jahren?
Da ich immer Probleme mit Verhütung hatte, kann ich sagen, nein.
Das Narrativ „Pass auf, dass du nicht schwanger wirst“ wirkte ebenso wie der Satz „Mein Bauch gehört mir“ nicht lustfördernd in meiner Biographie. Im Grunde ist das ein furchtbar einsamer Satz, „mein Bauch gehört mir“.
Lust zu erleben hat etwas mit Begegnung zu tun. Hormone ausschütten ohne gute Begleitung ist zwar möglich, aber meiner Meinung nach nicht erstrebenswert.
Ich glaube sogar, wenn Sexualität zur eigenen Befriedigung inszeniert wird, geht das gute Bauchgefühl verloren. Viel schlimmer ist es aber, dabei in Rollenmuster als Frau schlüpfen zu müssen, die nach wie vor leider viel zu oft „Hure“ oder „Heilige“ heißen.

Gefangen in alten Beziehungsmustern
Da sind sie also heute - diese klugen, erfahrenen Frauen, die eine Ausbildung machen, sich in Männerberufen zurechtfinden, Karriere machen und sich nicht über Männer definieren (müssen).

Chapeau liebe Geschlechtsgenossinnen, genauso sollten wir aufwachsen und unsre Töchter (und Söhne) erziehen. Genau das ist die großartige Leistung der Frauenbewegung, vor der ich mich nach wie vor verneige.

Man muss nicht viel über Hirnforschung und Hormone wissen, um zu erkennen, dass Mädchen durch die Pubertät hindurch lernbereiter und aufnahmefähiger sind als Jungen. Wo hingegen Jungen mit Testosteronschüben derart geplagt sind, dass eine jegliche Kurve zu Erektionen führen kann.
Laut Vera Birkenbihl haben Jungen bis zum Alter von 22 Jahren damit zu kämpfen, ihre Hormonschübe einzuordnen, bevor sie wieder an anderes denken zu können als ihren Fortpflanzungstrieb.
Eine ziemlich kluge Einsicht von Biologen und Hirnforschern- (und – innen), das nicht zu kriminalisieren, sondern biologisch festzustellen.
Nur hat leider trotz Frauenbewegung und sexueller Befreiung ein guter Umgang mit überbordender männlicher Sexualität bis heute kaum stattgefunden.
Als Heteromädchen hatte ich doch in meiner Pubertät (80 er Jahre) nach wie vor nur zwei Möglichkeiten im Umgang mit Jungs. Sei als Mädchen Gegenüber und lebe das mit einem Jungen aus, der wahrscheinlich selten mich meint, sondern eher seinen Trieb. Oder lebe keusch und verteufle nach wie vor sein und dein Lust-erleben.  Die Frauenbewegung hat damals keine guten Erklärungen gefunden, wie wir verantwortlich mit Lust und Trieben umgehen. Manches hat sich meiner Wahrnehmung nach sogar verschlimmert durch die feministische Argumentation.

Scham und Prüderie
In den Anfängen meiner Zeit als Jugendarbeiterin war die gemeinsame geschlechterübergreifende Jugendarbeit durchaus mal körperlich erlebbar. Es war uns ein Anliegen gegen die Prüderie zu leben, die solche unglaublichen Verhaltensmuster produzierte, die in der Schamecke dann doch heimlich gewalttätig und frauenverachtend formuliert wurden. Also wollten wir es anders machen. Gemeinsam duschen oder Saunagänge waren erlaubt und wurden begleitet von Erwachsenen, die nicht heimlich sondern offen über Lust redeten und neue Sprache dafür suchten. Das war kein schamloses übergriffiges Erleben, es war der Beginn einer neuen Denkweise, die leider sich nicht durchgesetzt hat.
Die bürgerlichen Entscheidungsgremien in Kirche und Gesellschaft waren erbitterte Feinde einer solchen Vorgehensweise. Und so ging es zurück in die Ecke, die heute mit der Etikette „Prävention vor Missbrauch“ nach wie vor eine falsche Prüderie lebt. Ich weiß das ist ein hartes Urteil, aber ich erlebe es genauso. Niemand spricht offen aus, was Lusterleben sein kann. Wir vermeiden deutliche Worte immer noch und belassen sie damit dem Pornomilieu und dem Stammtisch. Sexueller Missbrauch ist ein Verbrechen, aber es mit Prüderie aufzuarbeiten ist es auch. Das hilft den Betroffenen nur wirklich nicht. Wann wird es uns gelingen, offen über Missbrauch zu sprechen und alles dagegen zu tun, weil wir selbst offen genug dafür sind? Ich hoffe bald.

Scham ist ein hohes Gut, falsche Prüderie ist Gift für eine gute sexuelle Entwicklung von Männern und Frauen.  Davon bin ich überzeugt.

Der Bauch und die Reizüberflutung
Der Bauch ist der Sitz der Seele, da ist spürbar, was guttut und was nicht.
Das Hirn kann sich sowas nicht ausdenken und der Unterleib reagiert auf hormonelle Reize.
Und dazwischen schlagen Herzen und spürt ein Bauch, was guttut oder eben nicht.

Reizüberflutung ist keine sexuelle Offenheit, sie ist wie Schaulaufen in einer Peepshow die keiner wirklich mag. Es ist unsinnig da von Befreiung zu reden, es ist Verwirrung in hohem Maße. Die sexuelle Offenheit heute in einer pornografisierten Welt ist keine Befreiung, sie ist entgrenztes Unvermögen, Sexualität gesund zu leben. Es gibt nach wie vor keinen guten Raum, in dem man offen Sexualität als ein Grundbedürfnis aussprechen oder ausleben kann.

Der „gute Rahmen der Ehe“
Versorgung war den Frauen vor der Frauenbewegung wichtig. Also suchte man sich einen Ehemann. Es gab keine gute andere Möglichkeit für Frauen, sonst Kinder zu bekommen oder Sex zu haben. Die anderen Frauen waren verpönt als „Huren und Schlampen.“
Frauen fügten sich ein, in das Modell der Ehe, die kirchlich gesegnet, gesellschaftlich verordnet dafür sorgte, dass Männer und Frauen gut für die kommende Generation sorgten. Männern wurde ihr Trieb immer zugestanden, außer im Zölibat. Die Kirchenoberen wollten auch Männer in Ehe lenken, damit Ordnung herrscht. Und was für eine Ordnung das war, können wir unsre Mütter und Großmütter gerne fragen. Nachkommen zu zeugen war eben wichtiger, als andere Beziehungsformen zu wagen. Die Frauen waren Beiwerk, bis sie sich rausbewegten aus patriachalen Strukturen. Ich bin so froh, dass wir diese Zeiten hinter uns haben.

Hure oder Heilige
Ich vermute aber auch, dass bis heute niemand neue Beziehungsformen wirklich gefunden hat.
Frauen machen Beziehung, ist häufig zu lesen. Und ich fürchte das stimmt auch. Was ich aber noch mehr fürchte ist die Tatsache, dass sie es nach alten weißen Männervorstellungen tun.
Da gibt es immer noch die alten Muster der Hure oder der Heiligen.
Ich ahne das geht heute immer noch so. Viele Männer stellen sich immer noch die Frage.
Habe ich eine liebevolle echte Beziehung mit einer Frau, die meine Kinder gut aufzieht aber dann eben nicht mehr so lustvoll mit mir umgeht?  Manche leben mit der einen, weil es so praktisch ist sich gut versorgen zu lassen, auch wenn die Lust verloren geht. „Man(n) kann ja nicht alles haben.“ Und dann sind da noch die anderen Frauen, die das Etikett „Hure“ tragen, die sexuell offensiv sind und damit für Männer gefährlich, weil sie das Potential haben zu manipulieren.  
Ich sage nicht, dass Frauen so sind, ich behaupte, dass Männer uns so sehen, nach wie vor.
Mir ist auch sehr bewusst, dass ich als Frau Männer so sehe. Wahrscheinlich ist beides überzogen. Ich suche wirklich nach Alternativen für beide Geschlechter.
Ich erlebe Frauen, die hoffen, dass sie den einen finden, mit dem sie nicht in einer Ehe landen, in der die Carearbeit wieder ein Machtkampf nach ganz alten Mustern ist. Sie suchen Partnerschaften, in denen die Kinder zusammen versorgt werden. Oder erziehen lieber alleine, in jedem Fall sorgen sie sich lieber selbst um Verhütung, wenn sie noch lustvoll sind.  Oder sie tauschen die Karriere gegen Kinder. Es ist nach wie vor ein weiter Weg zu gutem Elternsein und guter gelebter Sexualität als Paar mit Kindern. Das ist meine Beobachtung.

Wenn Beziehungen gelebt werden, die andere Erfahrungen machen, ich bitte um Berichte.
Ich würde so gerne meine Thesen nicht bestätigt bekommen.


Die Kinder in neuen „Ehen“

Und nochmal zu den Kindern – der schwangere Bauch gehört eben nicht nur einer Frau, die schwanger wurde, sondern trägt auch die Verantwortung eines Erzeugers, der dieses Kind mit hat entstehen lassen. Kindererziehung ist eine der vielen Care-Aufgaben, die wir eben nicht den Frauen überlassen sollten, nur weil sie eine andere Wahrnehmung haben, wer wann was braucht.
Es ist das Muttergen, das auch ohne Geburt voll durchschlägt, wie ich es erfahren durfte.  
Und wie oft übernehmen dann doch die Frauen wieder diese Arbeit.
Sicher können Männer Kinder erziehen, sie können genauso gut für das Heim sorgen. Sie sind nur völlig anders beansprucht und sozialisiert durch diese Care-Aufgaben als Frauen. Und sie werden anders wahrgenommen als Frauen. Nach wie vor.
Weil Männer nicht in selbem Maße sich in Hausarbeit und Kindererziehung eingefunden haben, wie die frauenbewegten Partnerinnen, die selbstverständlich typisch männliche Arbeit mit übernehmen.  Ein Klischee, ich weiß. Aber die schlichte Frage an Karrierefrauen, ob ihre Männer kochen und putzen können und zwar in gleichem Maße und mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie sie selbst, führt leider immer noch zu diesem Ergebnis.  (Ich hoffe, das hat sich geändert mit der nächsten Generation, Frauen meines Alters haben wenig andere Erfahrungen gemacht.)

Manchmal denke ich, der Normalfall einer Erziehungsgemeinschaft sollte sein, sich genau für diese Zeit zum Wohle des Kindes arbeitsteilig festzulegen und danach eigene Wege zu suchen, entweder als Paar oder eben auch nicht mehr. Das sollte kein Scheitern miteinander sein, so ein Erziehungsleben, sondern Priorität haben, bis ein Kind mündig ist. Völlig unabhängig von Partnerschaft. Erziehungsgemeinschaft sollte ein unkündbarer Vertrag werden, bis die Kinder selbstständig sind. (Selbstverständlich hätten die Väter dabei die gleichen Rechte und Pflichten.)
Das wäre meine Lieblingsvorstellung von einem neuen Beziehungsvertrag, der nicht alles auf einmal regeln möchte.

Das Ende der alten Ehemuster
Was ist die Alternative im Beziehungsleben von Männern mit Frauen?
Nach vielen Chatgesprächen kann ich sagen, zu viele Männer leben lustvoll vor sich hin und besprechen es nicht mit der Frau, die Mutter wurde, was da geschehen ist mit dem Hormonhaushalt nach der Geburt.  Der Umgang mit der heiligen Mutter ist so unglaublich tabuisiert, was das Sexualleben von beiden angeht.  
Wie es diesen Müttern wohl geht mit dem eigenen Lusterleben? Ich kann darüber nichts aussagen, ich vermute aber, wenn die Belastung geringer wäre, würde dieses Thema auch wieder aufflackern. Leider erlebe ich anderes.
Viele Frauen denken, was er zuhause nicht kriegt, weil der Alltag uns auffrisst, holt er sich sicher woanders.
Und noch verrückter: Männer fürchten nach wie vor bei einer lustvollen Frau, dass sie eben doch nur eine „Hure“ ist, die sicher das, wenn ich es ihr nicht biete, bei anderen Männern sucht und findet.
Unglaubliche Vermutungen sitzen nach wie vor in Männer- und Frauenhirnen.
Oft gehört und oft bedauert.
Lustfeindliche Denkmuster sind das.
Zahllose „Witze“ über die „Alte“ zuhause oder die „MILF“ im Porno sind inzwischen bühnenfähig.
Genauso heftig die Sprüche über „Männer“ unter Frauen.
Warum können Frauen nur heilig oder lustvoll sein? Wie findet das alles seinen Platz in gleichberechtigter Beziehung ob mit oder ohne Kinder?

„Besitzdenken“ und „verloren oder fremd gehende Lust aufeinander“ sind das Ende so vieler Ehen heute.
Alte Vorstellungen, die immer noch wirken, obwohl sich niemand mehr versorgen muss oder halt „zusammen bleibt“ wie unsre Vorfahren. Das halte ich für einen Fortschritt, den ich begrüße und  nicht bedauere. Niemand muss halt zusammenbleiben, aber alle dürfen es.  Wohl dem, dem es mit gutem Bauchgefühl gelingt.
Für die anderen stelle ich aber die Frage:
Wieso besitzen wir uns entweder oder fürchten uns oder unsere Lust aufeinander zu verlieren?

Begehren ist ein wunderbarer Zustand, aber das ist eben nicht exklusiv und ewig mit derselben Person verbunden. Das ist uns doch hoffentlich allen klar. Ich gratuliere den Paaren, die sich das erhalten haben. Aber ich fürchte es sind wenige.
Für alle anderen gilt es neue Wege zu suchen, die zueinander führen können aber nicht müssen.

Reguliertes Eheleben und Lust
Liebe Frauen, wir können Testosteron nicht wegdiskutieren. Wir können uns keine „kastrierten“ Männer zurecht denken und das Thema Lust halt mal auslagern, damit die Familie funktioniert,
damit wir unsre Beziehungssehnsucht und Karrierepläne unter einen Hut kriegen, der Alltag aufgeteilt und ggfs. die Kinder miteinander erzogen werden.
Vor allem sollten wir nicht versuchen, uns dann noch alleine, um ein erfülltes Sexualleben zu bemühen, damit der Kerl sich zufriedengibt und nicht fremd geht und dabei abhandenkommt.
Es ist ähnlich wie in der Pubertät – das Phänomen Testosteron ist doch nicht durch Schuldzuweisung zu lenken oder zu regulieren? Mag sein, ich irre mich da mit der biologischen Zuweisung von sexueller Energie von Mann und Frau. Es ist auch unerheblich, ob das geschlechtsspezifisch oder aufgrund der seelischen Belastung durch die dauernde Carearbeit der sich kümmernden Frau entstanden ist. In jedem Fall erlebe ich Frauen da in der Defensive und Männer heimlich offensiv.
Ich wünsche mir lustvolle Menschen, die Sexualität leben können.
Doch wie leben wir gesunde Sexualität als erwachsene Menschen?
Wo ist sie, die sexuelle Befreiung der Frau?
Wo ist der Freiraum für das, was uns Frauen befriedigt?

Ich persönlich mag das nicht ohne gelebte Sexualität denken, auch wenn viele Frauen angesichts der möglichen Alternative lieber den lustlosen Weg einschlagen und sich mit anderem arrangieren.
Ich glaube, wir sollten unsre Libido weder überschätzen noch unterschätzen.
Und ein Gespräch mit einer Fachärztin wird sicher auch das im Sinne eines guten Bauchgefühls einordnen lassen. Hormonstatus ist da wohl der medizinische Fachbegriff.
Was vergeben wir uns an Chancen, indem wir Frauen Verhütung regeln und nicht über die psychischen Folgen von Mutterschaft sprechen. Und ganz nebenbei; Menstruation bedeutet nichts anderes, als sich innerlich auf Mutterschaft einzustellen und es danach wieder sein zu lassen. Niemand spricht darüber, es ist peinlich nach wie vor und was das im Erleben einer Frau ob mit oder ohne Kinderwunsch macht, ist tabuisiert. Unser Körper ist ebenso wie beim Manne auf Fortpflanzung eingerichtet und das macht was mit uns. Monat für Monat. Kinderlosigkeit ist nicht einfach eine Kopfentscheidung, sich einfinden in Beziehungsmuster aus der Steinzeit ist allerdings auch keine Lösung. (Die ungewünscht kinderlosen Frauen habe ich noch gar nicht erwähnt… )

Und liebe Männer, doch ein kleiner Satz für euch, mit spätestens 22 Jahren könnt ihr das biologisch im Griff haben, weil ihr ausgereift seid und in der Lage das Hirn einzuschalten. Wer danach weiter vor sich hin pubertiert, kann keine gleichberechtigte Beziehung voller Lust erwarten. Kein Mann hat das Recht, sich wegen Hormonschüben wie eine offene Hose zu benehmen.
Und keine Frau sollte deswegen aufhören (müssen), ihren Unterleib zu spüren. Meine bescheidene Meinung zu dem Thema sexuelle Offenheit von Männern und Frauen.
Ich verbiete niemandem die Keuschheit, ich verbiete aber auch keinem lustvolles Leben außerhalb der Norm Ehe.  Weil es nicht natürlich ist, sich ein Grundbedürfnis des Körpers zu versagen.  Und es trotzdem das gute Recht ist zu sagen, ich verzichte im Moment auf Sexualität. Nur eben sollte es dann ein gutes Recht sein und keine Zwangslage.

Weg vom Versorgungswahn – sexuelle Befreiung in freier Wildbahn

Welche neuen Beziehungsmodelle entwickeln beide Geschlechter, um dem alten Versorgungswahn zu entkommen? - wenn der Fortpflanzungstrieb nun mal gemeinsame Sorge für Nachkommen anlegt?
Ich habe nie Kinder bekommen und mein Bauch gehört mir. Aber ich habe ein ungutes Bauchgefühl jedes Mal, wenn ich meine Lust spüre und keine Möglichkeit finde, sie im geschützten Raum einer Beziehung auszuleben.  

Die sexuelle Befreiung – die endlich raus aus der Höhle führte- findet in freier Wildbahn statt; oder in anonymen Chaträumen, in denen ich Jahre meines Singlelebens nach missglückter Ehe verbracht habe. Testosteron pur, kann ich da nur sagen. Ich kenne fast keinen anderen männlichen Beweggrund in Chats als Sexsuche. Und Frauen passen sich an.  Wenige Frauen mit großer Libido spielen Schlampe für den Kerl. Die anderen „nerven“ mit Beziehungsdiskussionen oder Banalitäten. Oder schimpfen über Männer, zumindest wenn sie hetero sind. Niemand hat ein gutes Bauchgefühl dabei. Und wir nennen es freie tabulose Welt.

Schamlosigkeit, Vergleich und Selbstverletzung
Schamlosigkeit halte ich für ein gutes Gefühl und ich liebe es, wenn ich über Lust offen reden oder sie leben kann. Schamlosigkeit in der sexuell befreiten Welt macht aber nach wie vor kein gutes Bauchgefühl.
Ich schiebe das nicht den Männern zu, dieses ungute Gefühl. Na klar gibt es Arschlöcher, die sich wie offene Hose benehmen. Aber die mach ich mal nicht zum Maßstab.
Ich halte Prävention vor sexuellem Missbrauch für enorm wichtig, aber sie hat das Potential zur neuen Prüderie zu werden, die Frauen heilig spricht und Männer zu Triebtätern erklärt. Beides ist einfach nicht wahr.

Selbstverletzung – immer wieder höre und spreche ich mit Frauen, die sich selbst verletzen, weil sie ihre Rolle im Beziehungszirkus der Pubertät nicht finden. Und ich kenne selbstverletzende Verhaltensweisen an mir selbst bis ins hohe Alter. Meistens geht es dabei um den Vergleich mit anderen Frauen, die vermeintlich die guten Kerle abkriegen – äh wie noch mal genau?
Ich spreche mit jungen Frauen, die sich im Vergleich mit Influencerinnen, die voller Schminke von inneren Werten reden, nicht wohl fühlen. Und ich kenne Frauen, die ernsthaft Frauenratgebern glauben, die uns erklären, wie wir gute Beziehungen herstellen.
Diese Vergleichssituationen in einer von „Jägern“ geprägten Welt macht Frauen -nicht nur- sexuell unmündig. Frauen finden keine Rolle, die ihrer eigenen Lust gerecht wird, ohne dabei Männer zu  (miss-) brauchen.  Es gibt leider auch Frauen, die offensiv ihren Vorteil suchen mit sexueller Offenheit und Manipulationstechniken. Es ist die andere Seite derselben Medaille. Machismus vom Feinsten.
Ich erlebe, wie Mädchen und Frauen wütend werden darüber und diese Aggression auch gegen sich selbst richten. Über den Frust von Männern sollte wohl ein Mann berichten.

Mütter, erzieht eure Töchter zu Selbstbestimmtheit und Selbstständigkeit, dass sie sich selbst versorgen können. Väter – erklärt euren Söhnen was Übergriffigkeit ist und was ein gesundes Sexualleben, das verantwortlich gelebt wird mit Partnerinnen.
Und liebe junge und alte Menschen, hört nicht auf Hollywood und Liebeskitsch.
Glückshormone gehören zu gutem Sex und manche Verliebtheit ist einfach nur der Austausch von Glückshormonen und hat so rein gar nichts mit Beziehungsbedürfnis sondern eher mit Suchtverhalten zu tun.

Aggressivität gibt es im außen und innen. Unterdrückte Wut und unterdrückte Lust führen zu verletzendem Verhalten gegen sich oder andere.
Sexuelle Befreiung braucht Schutz für einen selbst und leider auch manchmal für andere.

Wie gelingt es sexuell befreit Beziehung zu leben und die Nachkommenschaft wirklich für gleichberechtigte Partnerschaften zu erziehen? Oder auch ohne Kinder sexuell befreit zu leben, ohne andere dafür zu gebrauchen?

Dominanz und Lust

Das wird hier sehr persönlich. Ich kann keine Allgemeinplätze von mir geben, da ich kein Facharztgespräch zu dem Thema geführt habe und es wenig Literatur zum Thema gibt.
In meinem Leben war Lust oft verbunden mit der Sehnsucht die Kontrolle abzugeben.
Die Sehnsucht nach einem dominanten Partner im Bett, der weiß, wo es langgeht.

Der Jäger, der Beute macht, der Mann, der nimmt und selbstbewusst und potent Sex ausübt.
Nicht wie im miesen Hausfrauenporno, indem Mr. Grey durch die Liebe einer Frau, sich seine SM-Fantasien heilen lässt, auch nicht mit demütigenden Sexualpraktiken, die einer bestimmten Szene als Fetisch dienen.  (Shades of Grey hat der Szene wirklich nicht geholfen, sich neu zu definieren – aber das nur am Rande.) Aber auch ohne diese Spielart des Sex bleibt ein Verdacht:
Ich vermute, dass Männer gerne Mann sind im Bett und ihre Potenz sehr wohl damit zusammenhängt, dass Frauen eben nicht manipulativ es ihnen besorgen, sondern im Grunde den starken Kerl begehren und ihn dafür lieben. Ich glaube Sex bedeutet dann, ihm seine Männlichkeit zu lassen und im Bett sich fallen lassen zu können und er fängt das auf. Kann sein das ist mein Mädchenmuster, aus dem ich mich nie emanzipieren konnte. Verzeiht mir das dann. Mir ist sehr bewusst, wie stark Erziehung wirkt und wie ungerecht es manchem Mann gegenüber sein kann, so zu denken.
Aber ich kenne einfach wenige Frauen, die offensiv ihre Lust ausleben und sich dabei gut fühlen (können). Ich kenne noch weniger Männer, die auf so etwas potent reagieren. Um im Szenejargon zu bleiben. Selbst die offensiven Frauen spielen die gute Domina oder Sub, die die Lage maximal heimlich dominiert, indem sie nach alten männlichen Vorstellungsmustern Sex inszenieren, der schließlich zugunsten der Befriedigung von Männern ausgeht. Machtspiele der alten Art mit Dominanz angereichert. Gibt es wirklich Frauen, die sich so wohlfühlen? Man möge mir diese Geschichten erzählen.
Ich kenne so wenig Geschichten, in denen zwei gleichberechtigte Partner aus reiner Lust Freude aneinander empfinden. Das Thema Lust ausleben ist so oft verbunden mit anderen Erwartungen und Wünschen und wird dadurch so oft missverstanden und missbraucht.
Nicht nur, dass die Lust im Alltag abhandenkommt, ich glaube auch auf dem Dating-Markt wird unglaublich gedealt und gelogen. Es ist wie immer im Internet, die Klicks steigen beim Grad der Erregung und das gilt für Männer und Frauen. Bis auf die wenigen Ausnahmen der wirklich devoten Männer – denen ihr Fetisch unbenommen bleiben soll – spielen Allmachtphantasien von Männern eine unheimliche Rolle im Sexleben vieler Paare.
Manches mal gedrosselt durch die Erziehung des pubertären Jungen, der gelernt hat, dass eine Erektion nicht zum Recht führt, seinen Samen in oder auf die nächste Frau zu streuen.
Aber im Grunde bleibt das Alphaverhalten des Samenspenders und eine am liebsten hingebungsvolle Nehmende als Bild gelungener Vereinigung.

Was wirklich nichts Schlimmes per se wäre, gäbe es da nicht Tausende von Jahren eines Patriachats, indem Frauen dann in Ehen gezwungen wurden, um die Nachkommenschaft zu sichern. (oder eben die Hure wurden.)
Gäbe es da nicht eine Bewegung von Frauen, die nicht mehr angewiesen sind auf die Versorgung durch einen Mann nach Sexualität mit Folgen.
Gäbe es da nicht eine sexuelle Offenheit in freier Wildbahn, die zu selbstverletzendem und grenzüberschreitenden Verhalten führen kann.

Freie Wildbahn oder ein neues Zuhause definieren.
Ich vermisse ein gutes Bauchgefühl für jede emanzipierte Frau, deren Hirn denken kann, deren sexuelles Erleben nicht mehr an die Kinderfrage gekoppelt ist, deren Unterleib durchaus lustvoll reagiert auf Reize. Und seltsamerweise sind es nicht immer die liebevollen, rührseligen, sanften und kitschigen Gefühle, die der Mann einer Frau entgegenbringt, die bei Frauen zu Lust auf leidenschaftlichen Sex führen.
Begehren und Leidenschaft sind starke Momente, die gelebt werden wollen, ohne dass Frauen die Errungenschaften der emanzipatorischen Sichtweisen über Bord werfen müssen.
Viele Männer halten Feministinnen für sexfeindlich. Ich kann euch Alphatieren nur sagen, lasst die Dominanz da wo sie hingehört – im lustvollen Augenblick, der nichts über die Qualität einer gleichberechtigten Partnerschaft aussagen kann und soll.
Sich so einander anzunähern, als Verführer und Hingebungsvolle, als Verführerin und Hingebungsvoller – als Menschen, die ihre Lust kennen, ihre Erregungsmomente nicht für den Kopf sondern für den Unterleib nutzen können und dabei ihr Herz füreinander spüren, ob lebenslang oder nur für eine Nacht. Das wäre mir dann ziemlich egal, so etwas wäre ein gutes Bauchgefühl.
Das wäre eine Begegnung, in der ich sagen würde: Mein Bauch gehört uns und dein Bauch auch und fühlt sich das nicht fantastisch an? Zuhause sein beieinander – lustvoll und sicher – wenn auch nur für eine Nacht. 
Alles weitere überlassen wir Beziehungsdiskussionen, die sicher nicht im erregten Zustand herbeigeführt werden sollten. Sondern sexuell befreit unter Partnern, die sich verständigen über ihre Lebensform, die sie frei wählen.
(Die Elternschaft ist eine Lebensform, die anderen Gesetzen folgt. Wie schade, dass wir Sexualität und Elternschaft immer noch, wie zu Urzeiten machtvoll verknüpfen.)
Ich wünsche mir andere Erfahrungen und Rollen, damit die Frauenbewegung endlich die sexuelle Befreiung wieder in guten Beziehungen leben kann, ohne sich dabei aufzugeben.
Unsere Bäuche werden es uns danken.